Multi Cloud als New Normal?!
Warum und wie sich hybride Ansätze im Cloud-Betrieb durchsetzen
Der Cloud-Markt ist in Bewegung: Während sich die Unternehmen beim Cloud- Betrieb verstärkt nach Alternativen zu den Hyperscaler-Angeboten umschauen, rücken die Anbieter von Cloud-Management-Plattformen zunehmend in die Rolle von Cloud-Brokern. Im Ergebnis etablieren sich lebendige Cloud-Ökosysteme als Alternative zu den dominierenden Cloud-Plattformen.
Trotz Plattformökonomie: Multi-Cloud-Strategien sind heute die Norm
Über die letzten Jahre hin zeigte die Marktentwicklung im Cloud-Umfeld nur in eine Richtung: Wenige große Plattform-Anbieter, die sogenannten Hyperscaler, dominierten das florierende Geschäft und bauten ihre Marktmacht immer mehr aus. Die Gesetze der Plattformwirtschaft zeigten ihre Wirkung: Je mächtiger die Plattform, desto größer die Skaleneffekte und desto besser waren Amazon, Microsoft, Google & Co. in der Lage, Kunden mit attraktiven Angeboten zu locken und an sich zu binden. Eine zunehmende Monopolisierung des Marktes schien angesichts dieser sich selbst verstärkenden Effekte über lange Zeit hinweg unausweichlich.
Vor diesem Hintergrund sind die Resultate einer aktuellen Studie, für die 451 Research im Auftrag von Oracle in Q3 2022 weltweit 1.500 Unternehmen befragt hat, bemerkenswert. Denn anders als von den Hyperscalern angestrebt und von vielen Marktbeobachtern zunächst erwartet, setzen demnach heute nahezu alle Unternehmen auf eine Multi-Cloud-Strategie. Und dies nicht nur bei den Anwendungen (SaaS), sondern auch bei Infrastrukturen und Plattformen (IaaS und PaaS). Wobei ein signifikanter Teil der Cloud-Kunden – 31 Prozent im IaaS/PaaS- und 45 Prozent im SaaS-Umfeld – sogar mit mehr als drei bzw. vier Providern zusammenarbeitet.
Kurzum: Die Cloud-Landschaft zeigt sich heute, allen Gesetzen der Plattformökonomie zum Trotz, als vielschichtig und heterogen. Dabei wurde in der Untersuchung die Private-Cloud-Nutzung, die in mittelständischen Unternehmen hierzulande stark verbreitet ist (siehe »Endstation Public Cloud«), noch gar nicht berücksichtigt. Tatsächlich dürfte sich ein Großteil der über die Studie identifizierten Multi-Cloud-Strategien bei genauerer Betrachtung eher als hybride Multi-Cloud-Ansätze erweisen.
Multi Cloud verspricht digitale Selbstbestimmung, geringere Kosten sowie mehr Agilität und Innovation
Warum immer mehr Cloud-Kunden den Einkauf bei verschiedenen Anbietern gegenüber dem One-Stop-Shopping bei einem Hyperscaler bevorzugen, hat laut Studie verschiedene Gründe. Einerseits verweisen die Unternehmen auf strategische, rechtliche und finanzielle Risiken, die mit einer einseitigen Abhängigkeit von großen globalen Cloud-Plattformen einhergehen. Andererseits wollen sie neue innovative Use-Cases umsetzen und ihre eigenen Entwickler optimal unterstützen, wobei die Angebote nur eines Cloud-Providers oft als unzureichend wahrgenommen werden. Zu den Top-3-Motivationen für die Implementierung einer Multi-Cloud-Strategie zählen entsprechend der Wunsch nach Datensouveränität/lokaler Datenhaltung, nach Kostenoptimierung sowie nach mehr Agilität und Innovation im Cloud-Geschäft.
Aufmerksame Leser der gridscale-Publikationen dürfte dies kaum überraschen. Schließlich wurden die genannten Motivationen für den Multi-Cloud-Betrieb von uns während der letzten Wochen bereits in verschiedenen Beiträgen und Analysen thematisiert.
- So diskutierten wir u. a. in einem ausführlichen Blogbeitrag, wie eine selbstbestimmte Cloud-Migration im Mittelstand hierzulande gelingen kann. Die immense Bedeutung, welche Unternehmen in Deutschland der digitalen Souveränität zumessen, wird durch die 451-Research-Studie einmal mehr unterstrichen.
- In weiteren Analysen – unter anderem hier (Endstation Public Cloud) und hier (Erfolgreiche SaaS-Angebote brauchen ein starkes Fundament) – zeigten wir auf, dass die Angebote der Hyperscaler im Vergleich zu denen lokaler Cloud-Anbieter aus Gesamtkostensicht oft schlechter abschneiden. Insbesondere dann, wenn Service und Support sowie Schulung und Training in die Betrachtung einbezogen werden.
- Die Forderung nach mehr Agilität und Innovation im Cloud-Geschäft wird unter anderem in unserer aktuellen Analyse-Reihe zum Thema Edge Computing thematisiert. Denn viele innovative Anwendungsszenarien, mit denen die Unternehmen ihre digitale Transformation weiter gestalten wollen, bauen auf verteilte Cloud-Edge-Infrastrukturen. Über zentral operierende Cloud-Plattformen allein lässt sich dies nicht bewerkstelligen.
Zeitenwende bei der Entwicklung hybrider Multi-Cloud-Lösungen
Die Umsetzung von Multi-Cloud-Konzepten und die Einlösung der damit verbundenen Erwartungen (Datensouveränität, Kostenersparnis, Agilität etc.) ist jedoch nicht trivial. Die Spanne der von den Befragten berichteten Herausforderungen reicht vom Multi-Provider-Management über Konnektivitäts-, Interoperabilitäts- und Datenmanagement-Themen bis hin zum operativen Management des Cloud-Betriebs und einem ganzheitlichen Kostenmanagement. Hinzu kommt noch eine begrenzte Expertise in Sachen Multi-Cloud-Management auf Seiten der Unternehmen.
Bei der Adressierung dieser Herausforderungen nehmen Technologien und Services zum Multi-Cloud-Management eine Schlüsselrolle ein. Deren zunehmende Verfügbarkeit und Reife ist heute bereits ein wesentlicher Treiber für die zunehmende Verbreitung von Multi-Cloud-Ansätzen. Wobei sich die Lösungsangebote derzeit in rasanter Geschwindigkeit weiterentwickeln. Das Beratungs- und Analystenhaus ISG spricht mit Blick darauf in einem aktuellen Research Paper sogar von einer regelrechten »Zeitenwende«.
Demnach sind die Anbieter der Cloud-Management-Lösungen heute nicht nur gefragt, ein reibungsloses Zusammenspiel der verschiedenen Infrastrukturen im Multi-Cloud-Betrieb der Kunden zu gewährleisten. Sie sind ebenso gefordert, ein funktionierendes Cloud-Partner-Ökosystem zu etablieren – und als Cloud Broker den Kunden ein integriertes Service-Angebot zu unterbreiten. Denn nur so lassen sich die steigenden Anforderungen der Multi-Cloud-Kunden in Hinblick auf Flexibilität, Innovation und Kosteneffizienz adressieren.
Cloud-Partner-Ökosysteme etablieren sich als Alternative zu den Plattformriesen
Der Begriff der Zeitenwende wurde von ISG bewusst gewählt, rührt diese Entwicklung, die derzeit von Cloud-Infrastruktur-Anbietern wie gridscale vorangetrieben wird, doch an den Kräfteverhältnissen im Cloud-Services-Market. Die daraus resultierenden Cloud-Partner-Ökosysteme bilden zunehmend eine echte Alternative zu den One-Stop-Shopping-Angeboten der großen Cloud-Plattformen (wie bereits in dieser Spotlight-Analyse ausführlich diskutiert).
Im Ergebnis entsteht eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten: Zuvorderst profitieren die Kunden, die bei der Umsetzung innovativer Anwendungsszenarien auf ein umfassendes Angebot an einfach zu implementierenden Services zugreifen können – ohne dabei Gefahr zu laufen, in Abhängigkeit von einzelnen großen Akteuren zu geraten. Für lokale SaaS-, PaaS- und IaaS-Anbieter bietet diese Entwicklung wiederum die Chance, im Wettbewerb mit den Hyperscalern Boden gut zu machen. Als Teil des Ökosystems können sie sich auf die Entwicklung innovativer Services fokussieren und sind gleichzeitig in der Lage, den eigenen Kunden umfassende Lösungen anzubieten.
Fazit: Lösungspartnerschaften auf den Prüfstand stellen!
Unsere Analyse zeigt, dass und wie sich der Cloud-Markt gerade verändert: vom One-Stop-Shopping bei einzelnen Plattformen-Anbietern hin zu hybriden Multi-Cloud-Ansätzen – von der einseitigen Dominanz der Hyperscaler hin zu Cloud-Partner-Ökosystemen. Den Anbietern von Multi-Cloud-Managementlösungen kommt bei dieser Entwicklung eine Schlüsselrolle zu. Sie sind zunehmend gefordert, als Cloud Broker funktionierende Cloud-Ökosysteme zu etablieren, um so maximale Flexibilität und Kosteneffizienz sowie ein Höchstmaß an innovativen, einfach zu implementierenden Service-Angeboten zu gewährleisten.
Für Cloud-Kunden ebenso wie für lokale SaaS-, IaaS- oder PaaS-Anbieter birgt diese Entwicklung vielfältige Chancen. Um davon zu profitieren, sollten sie die Auswahl von Lösungen bzw. Lösungspartnern zum Management hybrider Multi-Cloud-Infrastrukturen neu justieren.
Dr. Andreas Stiehler
Dr. Andreas Stiehler begleitet als IT-Analyst, Autor und Berater
seit mehr 20 Jahren Forschungs- und Beratungsprojekte zum
digitalen Wandel. Seine Kernthemen sind hierbei Digital Work &
Digital Workplace, Kundenservice im digitalen Wandel sowie das
Management von Wissensarbeit(ern). Der promovierte Volkswirt
mit Schwerpunkt auf Verhaltensökonomie setzt sich dafür ein,
den digitalen Wandel ganzheitlich zu betrachten und dabei die
Menschen stärker in den Fokus zu rücken.
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