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Edge KI:

Edge Computing + künstliche Intelligenz = die nächste Stufe der Digitalisierung 

Unternehmen, die das Potenzial der künstlichen Intelligenz für sich nutzen wollen, sollten sich auch mit Edge Computing auseinandersetzen. Denn das Zusammenspiel von Edge Computing und künstlicher Intelligenz – kurz Edge AI (oder Edge KI) – bietet die Chance, Automatisierungslösungen in der Fläche zu realisieren und so die nächste Stufe der Digitalisierung zu erklimmen. Wie sich dieses Zusammenspiel in der Praxis darstellt und welche Use Cases daraus erwachsen, wird im nachfolgenden vierten Teil unserer Analysereihe zu »Edge Computing: Zwischen Himmel und Erde« diskutiert.

Jenseits von ChatGPT & Co: Edge AI als Wachstumsmotor

Gerade einmal ein Jahr ist vergangen, seit ChatGPT öffentlich verfügbar und so das Potenzial KI-basierter Anwendungen der breiten Öffentlichkeit vor Augen geführt wurde. Mit Hilfe einer Artificial Intelligence (AI) ist es schließlich möglich, aus verfügbarem Wissen schnell, einfach und zielgerichtet neue Inhalte zu generieren. Vom professionellen Texten, über die Softwareprogrammierung bis hin zum Kundenservice – die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig und die Einsparpotenziale gewaltig. Tatsächlich findet sich heute kaum noch ein Unternehmen, in dem nicht darüber nachgedacht wird, wie sich KI für eigene Zwecke effektiv nutzen lässt.

Die Verantwortlichen, die mit der Identifikation von KI-Anwendungsszenarien beauftragt sind, sollten sich allerdings darüber bewusst sein, dass das Potenzial von Deep-Learning-Technologien weit über ChatGPT & Co. hinausreicht – insbesondere dann, wenn diese über eine Edge-Computing-Infrastruktur betrieben werden. So bietet das Zusammenspiel von Edge Computing und KI die Chance, Kernprozesse in der Fläche, also auch außerhalb kontrollierter Umgebungen, zu automatisieren und datenbasierte Geschäftsmodelle zu realisieren. Ein gewaltiger Produktivitätshebel.

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Genau aus diesem Grund betrachten immer mehr Analysten und Marktforscher – wie Allied Market Research, Grand View Research, MordorIntelligence, MarketsandMarkets, Market.us (siehe Abbildung) und viele weitere – die Kombination aus Edge Computing und Artificial Intelligence, kurz: Edge AI, als eigenständiges Marktsegment, dem sie ein immenses Wachstumspotenzial zuschreiben.

Deep Learning erlaubt Automatisierung in der Fläche

Was aber macht Edge AI so attraktiv? Beginnen wir von vorn: Herkömmliche Automatisierungstechnologien kommen bislang immer dann an ihre Grenzen, wenn sich der Input an Informationen nicht genau beschreiben, spezifizieren oder vorhersagen lässt. Deep-Learning-Programme sind dagegen heute in der Lage, über Mustererkennung auch große Mengen an unstrukturierten Informationen zu verarbeiten bzw. deren Verarbeitung zu erlernen. Sie sind zudem flexibel einsetzbar, da neuronale KI-Netze nicht auf die Beantwortung einer spezifischen Frage, sondern eines bestimmten Fragetyps trainiert werden. 

KI-Technologien erlauben es somit, auch Abläufe in einem lebendigen Umfeld, in dem vielfältige Faktoren (teils chaotisch) zusammenspielen und deren Wirkungen nicht im Detail vorhersagbar sind, digital abzubilden. Zu solchen lebendigen Systemen zählen u. a. der Straßenverkehr ebenso wie der menschliche Organismus, die mannigfaltigen Interaktionen in einem Supermarkt oder die Anbaufläche in einem Landwirtschaftsbetrieb. Damit eröffnet sich ein Raum für zahlreiche innovative Anwendungsszenarien, die sich mit KI-Unterstützung realisieren lassen. Diese reichen von autonom arbeitenden Fahrzeugen, über die dynamische Überwachung bzw. Steuerung/Bewirtschaftung von Supermärkten, Gebäuden, Produktionsanlagen, Energienetzen, Tierfarmen oder Anbauflächen bis hin zur (Früh-) Erkennung von Krankheiten in der Medizin.

Immer mehr Unternehmen verfügen bereits über Big Data

Daten zur Speisung der KI-Systeme gibt es bereits reichlich. Schließlich ist die Neuvermessung unserer Umwelt längst in vollem Gange. Kameras und Sensoren sind heute omnipräsent, technisch zunehmend ausgereift und leicht erschwinglich. In der Folge verfügen die meisten Unternehmen heute längst über einen beträchtlichen (oft noch unangetasteten) Datenschatz. Tatsächlich hat sich laut Statista die Menge an generierten digitalen Daten von 2020 bis 2023 verdoppelt – seit dem Jahr 2019 bzw. 2018 sogar verdrei- bzw. vervierfacht; Tendenz weiterhin stark steigend. 

Edge Computing als Türöffner für die Realisierung datenbasierter Geschäftsmodelle

Die Herausforderung bei der Realisierung der skizzierten Anwendungsszenarien besteht also heute weniger in der Generierung der Masse an Daten zur Speisung der KI-Systeme als vielmehr in deren zeitnaher und effektiver Verarbeitung. An dieser Stelle kommt das Cloud-Modell an seine Grenzen – und Edge Computing ins Spiel. 

Warum? Tatsächlich ist eine rein Cloud-basierte IT-Infrastruktur für eine KI-basierte Automatisierung in der Fläche denkbar ungeeignet. Erstens ist eine stabile Netzabdeckung mit ausreichend großer Bandbreite, wie sie für eine zeitnahe Verarbeitung der Massendaten in einem zentralisierten Cloud-Rechenzentrum notwendig wäre, oft schlicht nicht gewährleistet. Und selbst wenn dies der Fall wäre, so würde der Transfer von Massendaten in die Cloud wegen der benötigten hohen Bandbreite immense Kosten nach sich ziehen. Hinzu kommen noch größere Latenzen (Verzögerungen) beim Datentransfer zu und von der Cloud, die für Echtzeitanwendungen wie autonomes Fahren oder die Steuerung von Maschinen und Anlagen schlicht nicht tolerierbar wären. 

Anders stellt sich die Situation mit einer verteilten Architektur dar, bei der Computing Ressourcen auf Servern oder Geräten am Rand des Netzwerkes – also an der Edge – bereitgestellt werden. Der Betrieb der KI-Anwendungen erfolgt in diesem Fall also genau dort, wo sich die Anwendungen befinden. Auf diese Weise lassen sich im Vergleich zum Cloud-Betrieb Stabilität, Verfügbarkeit und Performance der KI-Anwendungen deutlich erhöhen sowie die damit einhergehenden Verbindungskosten und Latenzzeiten minimieren. Darüber hinaus erleichtert ein Edge-basierter Anwendungsbetrieb auch die Umsetzung von Datenschutzanforderungen (Privacy). 

Cloud Computing ist integraler Bestandteil von Edge AI 

Wird Cloud Computing damit obsolet? Überhaupt nicht! Integraler Bestandteil jeder KI-Lösung ist schließlich deren fortlaufendes Training und Verbesserung – wobei der Trainingsprozess, eben jenes »Deep Learning«, idealerweise in einem zentralisierten Rechenzentrum stattfindet. Für das Training des KI-Modells werden i. d. R. »Problemfälle« aus dem KI-Betrieb an der Edge in die Cloud hochgeladen und dort verarbeitet. Die so erzielten Verbesserungen des KI-Modells fließen beim nächsten Update wieder zurück an die KI-Anwendungen an der Edge.

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DIE Edge-AI-Architektur gibt es natürlich nicht. Wo die KI-Routinen und Computing-Ressourcen an der Edge konkret installiert werden, ob an einem Gerät, Sensor oder einem für den Edge-Betrieb gefertigten Server, hängt vom konkreten Anwendungsfall ab. Denkbar wäre auch, dass einzelne KI-Anwendungen direkt in der Cloud betrieben werden – mit ausgewählten Daten, die an der Edge vorsondiert und vorverarbeitet wurden. Ob die Edge-Computing-Ressourcen als quasi-autonomes System arbeiten oder im Zusammenspiel mit der Cloud die Vorverarbeitung der Daten übernehmen, entscheidet sich wiederum nach dem konkreten Use Case. Klar ist allerdings auch: Ohne Computing-Ressourcen an der Edge lassen sich die skizzierten Anwendungen nicht realisieren.

Fazit: Edge Computing und KI gemeinsam betrachten (und planen)

Edge Computing und Künstliche Intelligenz, so zeigt dieser Beitrag, entfalten gemeinsam ein immenses Potenzial. Das Zusammenspiel dieser beiden Technologien öffnet den Raum für die Realisierung zahlreicher innovativer Anwendungsszenarien, in deren Ergebnis eine durchgehende Automatisierung von Geschäftsprozessen und die Realisierung datenbasierter Geschäftsmodelle steht. Verantwortliche in den Unternehmen sollten diese Diskussion zum Anlass nehmen, das Potenzial der beiden Technologien im Verbund ernsthaft zu prüfen.

Eine mögliche Umsetzung von Edge-AI-Anwendungen sollte schließlich auch in die Planung der Infrastruktur einfließen. Die nächste Stufe der Digitalisierung baut auf ein effizientes Zusammenspiel von Cloud- und Edge-Computing-Ressourcen in einer hybriden Infrastruktur. Dies kann aber nur gelingen, wenn die Hybrid-Cloud-Lösung ein einheitliches Management gewährleistet und eine flexible Lastverteilung erlaubt. Sprich: Die Auswahl einer passenden Hybrid-Cloud-Management-Plattform ist erfolgskritisch.

Andreas Stiehler Porträt

Dr. Andreas Stiehler

Dr. Andreas Stiehler begleitet als IT-Analyst, Autor und Berater
seit mehr 20 Jahren Forschungs- und Beratungsprojekte zum
digitalen Wandel. Seine Kernthemen sind hierbei Digital Work &
Digital Workplace, Kundenservice im digitalen Wandel sowie das
Management von Wissensarbeit(ern). Der promovierte Volkswirt
mit Schwerpunkt auf Verhaltensökonomie setzt sich dafür ein,
den digitalen Wandel ganzheitlich zu betrachten und dabei die
Menschen stärker in den Fokus zu rücken.

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