Datenökonomie – ein Weckruf!
Strategien für die Mangelwirtschaft:
Cloud-Infrastrukturen und datenbasierte Geschäftsmodelle
Ob Fachkräfte, Rohstoffe oder Vorprodukte: Der Mangel ist allgegenwärtig und der Umgang damit längst ein kritischer Wettbewerbsfaktor. Hinzu kommt, dass der Ressourceneinsatz in unserer von Krisen und Nachfrageschwankungen geprägten Wirtschaft immer schwerer zu kalkulieren ist. Unternehmen sind immer häufiger gezwungen zu improvisieren, was aber auf die Effizienz drückt. Wer in diesem kritischen Umfeld bestehen will, muss die Planungs- und Geschäftsprozesse flexibilisieren. Die intelligente Sammlung und Verwertung von Daten ist der Schlüssel dazu. Die Ergebnisse aktueller Studien zum Stand der Datenökonomie in Deutschland erscheinen vor diesem Hintergrund bedrückend, ja alarmierend.
Trotz Ressourcenknappheit: Deutschland bei Datenbewirtschaftung ein Entwicklungsland
Die Selbsteinschätzungen von mehr als 600 Unternehmen im Rahmen einer im Mai 2022 vom Digitalbranchen-Verband bitkom durchgeführten repräsentativen Befragung sind an Deutlichkeit kaum zu überbieten: Mehr als drei Viertel der befragten Unternehmen hinken bei der Umsetzung datengetriebener Geschäftsmodelle nach eigener Einschätzung hinterher – 35 Prozent bezeichnen sich als Nachzügler, 19 Prozent haben nach eigenem Dafürhalten den Anschluss verpasst und 24 Prozent haben sich noch überhaupt nicht mit dem Thema beschäftigt.
Entsprechend kritisch fällt auch der Blick der Befragten auf die Gesamtwirtschaft aus: Deutschland ist in puncto Datenökonomie nach dem Dafürhalten der großen Mehrheit immer noch ein Entwicklungsland.
Und dies ausgerechnet in einer Zeit, in der eine intelligente Datenbewirtschaftung so wichtig wäre, um Störungen in den Lieferketten zeitnah aufzudecken, den Ressourceneinsatz flächendeckend zu optimieren und den Kunden trotz Personalmangel einen ausgezeichneten Service zu bieten. Einsatzfelder gibt es zuhauf (auch jenseits der gewagten Vision eines rein von künstlichen Algorithmen gesteuerten Wirtschaftsbetriebs) und der Handlungsbedarf ist gewaltig. Zu Recht meint Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder mit Blick auf die Ergebnisse der Studie:
»Wir können es uns als rohstoffarme Nation nicht leisten, Daten in Silos wegzuschließen und auf ihre verantwortungsvolle Nutzung zu verzichten. Deutschland kann mit einem konsequenten Schritt in die Datenökonomie wettbewerbsfähiger werden, das Risiko von Krisen verringern, Ressourcen schonen und zugleich die Lebensqualität erhöhen.«
Dass und wie dies gelingen kann, zeigt der Blick auf andere Länder, etwa im Norden Europas, wo Digitalisierung und Datenwirtschaft bereits im Alltag integriert ist – ja, wo selbst Bestellungen in Restaurants über eine App abgewickelt werden. Angesichts der akuten Personalnot hierzulande, werden wir gar nicht umhin können, auf ähnlich intensive Weise datenbasierte Geschäftsmodelle im B2C- wie im B2B-Umfeld umzusetzen.
Dafür aber sind zunächst Investitionen in geeignete Infrastrukturen notwendig. Eine Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) zur Datenbewirtschaftung von Unternehmen in Deutschland (März 2022) zeigt hingegen: 71 Prozent der mehr als 1000 hierfür befragten Industrieunternehmen und industrienahen Dienstleister sind nicht „Data Economy Ready“. Das heißt, sie erfüllen nicht oder nur unzureichend die Voraussetzungen, um ihre Daten effizient zu bewirtschaften bzw. diese abteilungs- und unternehmensübergreifend zu teilen.
Moderne Cloud-Infrastrukturen bieten Einstieg in die Datenökonomie
Die im Rahmen dieser Studie durchgeführte Untersuchung von Einflussfaktoren auf die „Data Economy Readiness“ und die gemeinsamen Datenbewirtschaftung (Data Sharing) zeigt ein weiteres bemerkenswertes Ergebnis: Die Cloud-Nutzung demnach hat einen vergleichsweisen starken und hochsignifikanten Einfluss auf beide Kenngrößen – siehe Tabellenausschnitt (*** steht für eine Signifikanz auf 1-Prozent-Niveau bzw. eine Fehlerwahrscheinlichkeit von unter einem Prozentpunkt).
Anders gesagt: Cloud-nutzende Unternehmen zeigen sich signifikant häufiger als „Data Economy Ready“ und teilen Daten öfter gemeinsam mit anderen Unternehmen.
Dieses Ergebnis ist nachvollziehbar: Eine moderne Cloud-Infrastruktur ist schließlich ein wichtiger Pfeiler, um intern und extern verteilte Daten effizient zu managen und zu teilen. Deren Aufbau ist ein wichtiger erster und sehr zentraler Schritt hin zur Etablierung datenbasierter Geschäftsmodelle. Das zögerliche Voranschreiten bei der Cloud-Migration während der letzten Jahre bremste so letztlich auch die Umsetzung datenbasierter Geschäftsmodelle. Gut, dass der Cloud-Zug hierzulande endlich an Tempo gewonnen hat – u.a. auch, weil sich während der letzten Jahre ernstzunehmenden Alternativen zu den Hyperskalern herausgebildet haben und somit berechtigte Bedenken vieler Akteure in puncto Datensouveränität ausgeräumt werden konnten (siehe hierzu auch einen weiteren Blogbeitrag von gridscale).
Gemeinsame Datenbewirtschaftung nach Unternehmenscharakteristika
Ergebnisse auf Basis von Chi-Quadrat-Tests
Von Cloud-Entwicklung lernen: Bedenken der Unternehmen ernsthaft adressieren!
Eine Cloud-Infrastruktur allein macht jedoch noch keinen datenbasierten Geschäftsbetrieb. Die Hemmnisse für eine effiziente Datenbewirtschaftung sind deutlich vielfältiger: Nicht kompatible Daten bzw. fehlende Standards oder Räume für den Datenaustausch, rechtliche Bedenken mit Blick auf den Datenschutz sowie Schwierigkeiten bei der Etablierung tragfähiger Geschäftsmodelle für den Datenaustausch stehen bei Bitkom- und IW-Studie ganz oben auf der Liste.
Politik und Technologieanbieter sollten diese Bedenken ernst nehmen und ernsthaft adressieren. Und nicht – wie über Jahre hinweg beim Thema Cloud – den Fehler begehen, es bei Appellen zu belassen und den noch zögerlichen Akteuren irrationale Ängste zu unterstellen. So zeigen der Ergebnisse der IW-Studie auch, dass gerade die in puncto Cloud-Nutzung und Datenbewirtschaftung fortgeschrittenen Unternehmen vermehrt über rechtliche und technische Schwierigkeiten klagen. Eine Feigenblattmentalität kann man diesen Akteuren wohl kaum unterstellen. Im Gegensatz: Sie sollten mit allen Mitteln unterstützt werden.
Resümee
Eine moderne und intelligente Datenbewirtschaftung – so zeigt diese Kurzanalyse – gewinnt für die Unternehmen hierzulande angesichts des derzeit immer offener zu Tage tretenden Ressourcenmangels in Folge von Pandemie, Krieg und demografischen Wandel immens an Bedeutung. Dass die deutsche Wirtschaft bei der Umsetzung datenbasierter Geschäftsmodelle immer noch hinterherhinkt, erscheint vor diesem Hintergrund alarmierend.
Die Ergebnisse der aktuellen Studien zu diesem Thema sollten Unternehmen, Technologieanbieter und Politik dazu veranlassen, die Etablierung geeigneter Cloud-basierter Infrastrukturen für die Datenbewirtschaftung ernsthaft voranzutreiben sowie rechtliche und technische Hemmnisse für den Datenaustausch auszuräumen. Denn dass in den nächsten Jahren im Geschäftsbetrieb der hiesigen Unternehmen wieder Ruhe einkehrt, erscheint höchst unwahrscheinlich, vielmehr stehen die nächsten Krisen bereits vor der Tür.
Dr. Andreas Stiehler
Dr. Andreas Stiehler begleitet als IT-Analyst, Autor und Berater
seit mehr 20 Jahren Forschungs- und Beratungsprojekte zum
digitalen Wandel. Seine Kernthemen sind hierbei Digital Work &
Digital Workplace, Kundenservice im digitalen Wandel sowie das
Management von Wissensarbeit(ern). Der promovierte Volkswirt
mit Schwerpunkt auf Verhaltensökonomie setzt sich dafür ein,
den digitalen Wandel ganzheitlich zu betrachten und dabei die
Menschen stärker in den Fokus zu rücken.
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Nachlese: Weitere ausgewählte gridscale-Artikel und Studien zum Thema
- gridscale e-paper: „Gefangen in der Public Cloud!?“, 2021
- gridscale Studie: „Zehn Stellschrauben der Cloudifizierung im gehobenen Mittelstand“, 2021
- gridscale blog: Digitale Souvernität im Mittelstand, 2022