So vermeidest du einen Vendor Lock-In in der Cloud

No Vendor Lock In


Der einfachste Weg aus einer unprofitablen und teuren Geschäftsbeziehung ist die Kündigung. Doch was passiert, wenn die Kündigung eines Vertrags nicht ohne Weiteres möglich ist? Oder sie unter Umständen einen größeren wirtschaftlichen Schaden verursacht als eine Fortsetzung der Zusammenarbeit?

Genau vor diesem Problem stehen Unternehmen, die ihre IT-Infrastruktur zu sehr an die Spezifikationen ihres Hosting Providers oder IT-Dienstleisters angepasst haben. Sie befinden sich in einem Vendor Lock-In. Welche Wege gibt es aus einem solchen Lock-in und wie kann ein Unternehmen diese Situation von Beginn an vermeiden und trotzdem eine moderne Cloud-Lösung nutzen?

Was genau ist Vendor Lock-In?

Zuerst einmal: Ein Vendor Lock-in ist kein ausschließliches Phänomen der Cloud. Auch mit on-premises-Lösungen im eigenen Haus können Unternehmen durch die Hardwarespezifikationen an einen Lieferanten oder Hersteller gebunden sein.

Allgemein ist die Definition Folgende: Bei einem Proprietary Lock-In oder Customer Lock-In ist ein Kunde bei Produkten und Dienstleistungen von einem Lieferanten abhängig und kann keinen anderen Anbieter ohne erhebliche Umstellungskosten nutzen.

Vendor Lock-In: Risiko-Faktoren

Um zu verstehen, wie man einen Vendor Lock-In vermeiden kann, ist es hilfreich, sich die einzelnen Faktoren bewusst zu machen, die dazu führen: Kosten beim Anbieterwechsel, Vertragsbestimmungen, (IT-)Kompetenzen oder spezifische technologische Anforderungen. In den seltensten Fällen treffen zum Glück alle Faktoren zu, aber ein oder zwei reichen oft schon aus, um einen Vendor Lock-In zu erzeugen.

Kosten

Der offensichtlichste Grund sind die potenziell hohen Kosten eines Anbieterwechsels. Auch wenn die Kosten anfangs erträglich erscheinen, kann sich die gesamte Summe schnell addieren, da eine Vielzahl von Bereichen betroffen sein können: Migration des Systems, Schulungen, Berater, rechtliche Überprüfung und/oder temporärer Produktivitätsverlust.

Selbst wenn sich diese Kosten im Laufe der Zeit durch einen niedrigeren Endpreis des alternativen Anbieters amortisieren, sind anfänglich hohe Investitionskosten für viele Unternehmen abschreckend, insbesondere in Krisenzeiten.

Ein gutes Beispiel ist der Wechsel von einem Server Anbieter zu einem Cloud Hosting Provider. Der Umstieg von einem on-premises-Serversystem auf eine extern gemanagte Cloud-Hosting Lösung spart zwar auf lange Sicht viel Geld im laufenden Betrieb, verursacht aber zunächst zusätzlichen Zeit- und Kostenaufwand: Mitarbeiter müssen geschult, das System umgezogen und eventuell Verträge hinsichtlich der Datenspeicherung in Drittländern angepasst werden. Diese Investitionen können je nach Volumen einen Vendor Lock-In allein aus Kostengründen verursachen.

Verträge

Auch bestimmte Vertragskonstellationen oder -bedingungen können zu einem Vendor Lock-In führen. Ein Beispiel sind lange Vertragslaufzeiten, die gerade in der “alten” Hosting-Welt, wie auch beim klassischen IT-Outsourcing, häufig vorkommen. Kunden sind hier teilweise lange Zeit an den Anbieter gebunden – beim IT-Outsourcing oft mindestens drei bis fünf Jahre. Hinzu kommt: Einzelne Vertragsbestandteile und Outsourcing-Leistungen haben sogar oftmals unterschiedliche Vertragslaufzeiten, die es bei einem Anbieterwechsel entsprechend zu harmonisieren gilt. Ein meist sehr umfangreiches und kompliziertes Unterfangen.

Ein anderer Fall steht im Zusammenhang mit den Preismodellen der Anbieter, bei dem der Unterschied zwischen modernem Cloud Hosting und “altem” on-premises-Rechenzentrum besonders deutlich wird. Im Gegensatz zu vielen Cloud Hosting Providern, die ein flexibles verbrauchsabhängige Preismodell ohne Grundkosten anbieten, gibt es andere Beispiele, die einen bestimmten Nutzungsgrad und damit verbundenen Festpreis anlegen. Fällt ein Unternehmen unter diesen Nutzungsgrad, zahlt es unter Umständen immer noch den Festpreis. Die einzige Möglichkeit ist hier oft eine Kündigung des gesamten Vertrags, was durch die Vertragslaufzeiten nicht immer so einfach möglich ist.

Kompetenzen

Verschiedene Anbieter setzen auf selbst entwickelte Technologien und Lösungen. Logisch! Allerdings ist für das Management der Systeme auch beim Kunden Spezialwissen notwendig, selbst wenn man auf eine komplett gemanagte Lösung setzt. Mindestens ein Mitarbeiter im eigenen Unternehmen muss sich als Ansprechpartner des Anbieters mit der Technologie auskennen.

Diese Situation führt dann zu einem Vendor Lock-In, wenn es bei einem Anbieterwechsel nicht möglich ist, einen technisch kompetenten Mitarbeiter für diese Aufgabe anzuwerben. Gerade bei Systemen im Hightech und Innovationsbereich sind Fachkräfte oft rar gesät. Es fehlt dem wechselwilligen Unternehmen schlicht an Personal.

Auch hier ein Beispiel: Große internationale Hyperscaler nehmen pro Woche oft mehrere Dutzend Änderungen an ihren Systemen, Technologien und Anwendungen vor. Nur wer hier Up to date bleibt, hat eine Chance, einen hohen Grad an Effizienz zu erreichen. Gleichzeitig verursacht man enorme Opportunitätskosten bei Anpassungen.

Technologie

Einer der entscheidenden Gründe für einen Vendor Lock-In in der Cloud- und Hosting-Industrie ist natürlich die Technologie an sich. Proprietäre Technologien sind per se alles andere als schlecht, stellen sie doch häufig das Kernprodukt und den eigentlichen USP eines Unternehmens dar. Wenn alle Anbieter das gleiche Produkt anbieten würden, gäbe es keinen Markt, keine Weiterentwicklung, aber natürlich auch keinen Vendor Lock-In.

Es gibt zwei Voraussetzungen, die man zu beachten sollte, wenn man einen Vendor Lock-In vermeiden möchte. Interessanterweise jeweils einen beim Kunden und einen beim Anbieter.

  1. Der Kunde muss seine Prozesse agil und flexibel gestalten. Sobald die Unternehmens-IT oder Anwendungen nur auf einem spezifischen System laufen, hat das Unternehmen ein großes Problem. Es hat sich selbst verschuldet in einen Vendor Lock-In begeben. Dies war in der Vergangenheit besonders bei langfristigen und sehr engen Partnerschaften zu beobachten. Zudem besteht das Problem, dass agile und sich ständig fortentwickelnde Systeme ein hohes Maß an Energie, Kreativität und auch Investitionen voraussetzen. Auf den ersten Blick kann eine proprietäre Lösung günstiger erscheinen, aber eben nur so lange man nicht den Anbieter wechseln möchte.
  2. Anbieter können ihr Produkt auch so gestalten, dass sie einen Vendor Lock-In erzwingen. Zum Beispiel indem sie keine Open Source-Technologie nutzen und für ihr Produkt spezifische Anforderungen stellen. Der Anbieter weiß dann, dass sein Kunde nicht abwandern kann und erhöht so kontinuierlich seine Wartungs- und Erneuerungskosten. Das ist selbstverständlich nicht sonderlich kundenfreundlich. Dabei gibt es mittlerweile genug Beispiele von offenen Systemen, die einen Wechsel ohne Probleme möglich machen. Ein Produkt muss in den seltensten Fällen exklusiv sein.

Wie kann ein Vendor Lock-In vermieden werden?

Nachdem du jetzt weißt, was die Ursachen für einen Vendor Lock-In in der Cloud bzw. im Hosting sein können, wollen wir dir natürlich weitere konkrete Hilfestellung und Tipps geben, wie du solche Situationen vermeidest. Wir finden Vendor Lock-In nämlich auch nicht cool!

Technologische Agilität und Offenheit

Auf technologischer Basis kann man sicherstellen, dass man sich nicht zu abhängig von der Technologie des Anbieters macht. Oft gibt es für viele Anwendungen eine OpenSource-Alternative. Im Falle eines eigenen IT-Produkts, wie einer SaaS-Anwendung, sollte man von vornherein auf einen flexiblen OpenSource-Ansatz achten.

Raus aus der Abofalle

Wie in allen anderen Bereichen gilt auch in der Hostingbranche: Augen auf bei der Vertrags- und Preisgestaltung! Hier sollten Unternehmen darauf achten, in der schnelllebigen (Cloud-)Hosting-Branche nicht auf zu langfristige vertragliche Bindungen zu setzen. Ebenso wenig sollte man auf eine automatische Laufzeitverlängerung des Vertrags hereinfallen. Auch wenn dadurch die laufenden Kosten scheinbar steigen und man subjektiv den “schlechteren” Deal macht, erhält man sich seine Flexibilität und vermeidet einen vertraglichen Vendor-Lock-In.

Im Idealfall lässt man sich vom Anbieter die Unterstützung bei einer eventuellen Migration zusichern und definiert Exit-Klauseln und Verantwortlichkeiten in den SLAs. Zu oft reagieren Vertragspartner bei einem bevorstehenden Wechsel extrem passiv und lassen das Unternehmen im Regen stehen.

Der regelmäßige Blick über den Tellerrand

Passenden Partner gefunden? Perfekt! Dann kann man das Thema ja abhaken und vergessen. Diese Einstellung ist der beste Weg in einen Vendor Lock-In. Wer die Marktentwicklung nicht im Blick behält, läuft Gefahr, eine bessere Lösung oder gleich ganz den Anschluss zu verpassen. Das heißt natürlich nicht, dass man von einem Partner zum anderen springen soll, wenn es gerade mal nicht so läuft. Aber es kann nie schaden, informiert zu bleiben und die Augen offen zu halten. Im Idealfall hat man schon einen Backup-Partner in der Hinterhand.

Die Exit-Strategie in der Schublade

Womit wir zum letzten wichtigen Aspekt kommen: die Exit-Strategie. Viele Unternehmen reagieren bei einem bevorstehenden Anbieterwechsel verunsichert und sind sich nicht über Abläufe, Zeitpläne oder Budget im Klaren. Hier hilft eine ausgefeilte Exit-Strategie für einzelne Bestandteile oder das gesamte System. Dies verhindert Unsicherheiten und unangenehme Überraschungen und gewährleistet einen reibungsloseren Anbieterwechsel.